Apps mit Routenführung

Die hier vorgestellten Apps sind bis auf zwei Ausnahmen (ViaOpta Nav und Myway Classic) für sehende Nutzer konzipiert und lassen es an für Blinde wichtigen Informationen mangeln. Dennoch können auch sie hilfreiche Wegbegleiter sein.

ViaOpta Nav (iOS und Android)

Da ViaOpta Nav für iOS und ViaOpta Nav für Android identisch und vollkommen barrierefrei sind, wird nachstehend nur von ViaOpta Nav gesprochen.

ViaOpta Nav ist eine speziell für blinde Nutzer konzipierte App mit Routenführung. Der Bildschirm beschränkt sich auf das Nötige, wodurch die App schnell und einfach zu bedienen ist. Nach Doppeltipp auf die Schaltfläche „Neues Ziel“ kann eine Zieladresse eingegeben werden. Da es sich um eine reine Fußgänger-App handelt, reicht die Angabe von Straße und Hausnummer. ViaOpta Nav sucht in der Umgebung des aktuellen Standortes und fragt Stadt und Land nicht ab. Wird die Adresse gefunden, kann sie als Favorit gespeichert oder als aktuelles Ziel ausgewählt werden. Nach Doppeltipp auf „Dort hingehen“ können optional Routenpunkte hinzugefügt werden, also Orte, über die die Route verlaufen soll. Nach Doppeltipp auf „Routenüberblick“ wird eine Liste aller Navigationsanweisungen mit Entfernung und Straßennamen angezeigt.

Nach Doppeltipp auf die Schaltfläche „Navigation starten“ fordert ViaOpta Nav dazu auf, das Smartphone zu drehen, um die Gehrichtung zu ermitteln. Wird das horizontal gehaltene Smartphone lateral gedreht, erfolgt ein Vibrationsstoß, so bald es in die Gehrichtung zeigt. Während der Navigation kann das Gerät jedoch in die Tasche gesteckt werden.

Während der Navigation sagt ViaOpta Nav auf dem Weg liegende Kreuzungen an. Leider werden auch Kreuzungen gemeldet, die den Nutzer nicht betreffen, wenn beispielsweise eine Querstraße nur auf der anderen Straßenseite in die aktuelle Straße mündet. Die zur nächsten Richtungsänderung zurückzulegende Entfernung wird wiederholt angesagt. Bei Richtungsänderungen wird die Straße genannt, in die einzubiegen ist. Wird die Route verlassen, meldet die App, dass die Route verlassen wurde und bietet an, die Route vom aktuellen Standort neu zu berechnen. Dies hilft insbesondere beim Wiederaufnehmen einer Route, nachdem der Nutzer vom Weg abgekommen ist. Diese Funktion kann in den Einstellungen optional auf „Automatisch neu berechnen“ umgestellt werden. Dies ist ortsunkundigen Nutzern jedoch nicht zu empfehlen. Ein Wermutstropfen ist die fehlende Ansage der Straßenseite, auf der sich das Ziel befindet. Gerade für blinde Menschen ist dies wichtig zu wissen.

Mittels der Schaltfläche „Ihr Standort“ kann die aktuelle Adresse abgefragt und können umliegende POI und Kreuzungen aufgelistet werden. POI werden mit der Entfernung vom aktuellen Standort ausgegeben und nach Entfernung sortiert. Sie können als Routenziel ausgewählt werden. Kreuzungen werden ebenso nach Entfernung sortiert, wobei neben den Straßennamen Richtung und Entfernung angegeben werden. Die Richtung wird als Uhrzeit angegeben und bezieht sich auf die Ausrichtung des Smartphones. Das Gerät sollte horizontal gehalten werden und die Oberkante nach vorne zeigen. Wird das Gerät lateral gedreht, werden die in der entsprechenden Richtung liegenden Kreuzungen automatisch mit Richtung und Entfernung angesagt. So bekommt der Nutzer einen räumlichen Eindruck von seiner Position und kann eine gewünschte Kreuzung leicht ermitteln und ansteuern. Allerdings ist hier keine Auswahl als Ziel, also eine geführte Navigation, möglich.

ViaOpta Nav bezieht osm-Daten für Umgebungsinformationen und nutzt Routeninformationen von TomTom. Die App erfordert eine Internetverbindung.

MyWay Classic (iOS)

MyWay Classic ist eine für blinde Nutzer konzipierte App, die sowohl eine Routenführung als auch das Aufzeichnen eigener Routen ermöglicht.

Im Aufzeichnungsmodus werden Routenpunkte erzeugt, wenn sich die Richtung ändert oder das Gerät geschüttelt wird. Die so erzeugte Route kann unter einem beliebigen Namen gespeichert und wahlweise in der Hin- oder Rückrichtung abgegangen werden. MyWay Classic meldet wiederholt Richtung und Entfernung zum nächstgelegenen Routenpunkt in der gewählten Richtung. Ist dieser erreicht, wird der nächste Routenpunkt anvisiert. Eine Route kann bearbeitet und die enthaltenen Punkte umbenannt oder gelöscht werden.

Für die Routenführung zu einer Adresse benötigt die App eine Internetverbindung. Die Routenaufzeichnung und Navigation aufgezeichneter Routen ist ohne Internetverbindung möglich.

Seeing Assistant Move (iOS)

Das für blinde Nutzer konzipierte Seeing Assistant Move ermöglicht das Aufzeichnen von Routen, die Führung auf aufgezeichneten Routen, das Abfragen der aktuellen Adresse und des nächstgelegenen POI, das Anzeigen einer Liste umliegender POI sowie die Auswahl eines POI als Ziel, das Anlegen eigener POI, das Teilen von POI und Routen, das Simulieren eines beliebigen Ortes und das Erkunden einer virtuellen Karte.

Die App beziet POI aus OSM-Datenbanken, die vom Nutzer für eine gewünschte Region heruntergeladen werden müssen. Infolgedessen benötigt die App keine Internetverbindung für die meisten POI-bezogenen Aktionen. Beispielsweise kann ein POI einer aufgezeichneten Route hinzugefügt werden und diese ohne Internetverbindung abgegangen werden. Das Abfragen des aktuellen Standortes hingegen ist nur mit Internetverbindung möglich, da die App den Standort online referenziert.

Die geladene Datenbank kann nach Schlagworten durchsucht werden, so dass etwa eine Suche nach Branchen oder einer bestimmten Küche möglich ist. Die App ist auch mit Loadstone-Datenbanken kompatibel.

Eine Route kann entweder während des Gehens aufgezeichnet oder vorab anhand von POI aus der geladenen Datenbank zusammengestellt werden. Routen sind in beiden Richtungen begehbar und lassen sich editieren.

Bei aktivierter Monitoring-Funktion werden die aktuelle Adresse und der nächste POI in einem einstellbaren Intervall angesagt. Verfolgte POI werden innerhalb eines einstellbaren Radius gemeldet. Wird ein POI simuliert, kann die App zur Erkundung der Umgebung sowie zur Planung und Erstellung von Routen genutzt werden.

Seeing Assistant Move bietet zwar eine Turn-by-Turn-Option, übergibt die Daten jedoch wahlweise an Karten oder Google Maps. Seeing Assistant Move bleibt im Hintergrund aktiv und streut, falls so eingestellt, weiterhin Hinweise über Adresse und POI ein. Dies kann zu Überlappungen mit den Routenanweisungen der Navigations-App führen und die Sprachmeldungen unverständlich machen.

Die App ist recht komplex, weswegen es sich empfiehlt, das Tutorial zu studieren. Dieses liegt jedoch nur in Englisch und Polnisch vor. Auch sind in den Einstellungen einige Schaltflächen englisch oder gar nicht beschriftet.

Seeing Assistant Move ist durchaus eine praktische Alltagshilfe, erfordert aber eine gewisse Einarbeitung.

Karten (iOS)

Die im Betriebssystem iOS enthaltene Karten-App ist weitgehend zugänglich und verfügt über eine Turn-by-Turn-Routenführung für Fußgänger. Bei der erstmaligen Berechnung einer Route wird standardmäßig eine Fahrtroute angeboten, auch wenn in den Einstellungen "zu Fuß" als bevorzugte Route festgelegt wurde. Die Fußgängerroute muss jedes Mal ausgewählt werden. Gespeicherte Routen behalten den einmal ausgewählten Modus bei.

Die App ermöglicht das einfache Suchen nach POI und Adressen. Einmal abgerufene Routen werden gespeichert, so dass sie sich nach Belieben erneut aktivieren lassen. Das Tauschen von Start und Ziel gespeicherter Routen ist möglich. Auch bietet die App die Option, eine Route vom aktuellen Ort zu einem einmal besuchten Ort abzurufen.

Die Routenanweisungen werden von SIRI gesprochen, sind ebenso laut wie VoiceOver und damit gut zu verstehen.

Die App gibt zunächst an, auf welcher Straße und in welcher Himmelsrichtung eine Route begonnen werden soll. Bei Richtungsänderungen gibt die App an, in welcher Entfernung in welche Straße abgebogen werden soll. Querstraßen werden nicht genannt. Die Ansage der Entfernung bis zur nächsten Abbiegung ist ein Plus, dennoch fehlt es blinden Nutzern an Informationen über Querstraßen und den Aufbau von Kreuzungen. Auf dem Bildschirm befindet sich eine Schaltfläche, mit der die jeweils letzte Anweisung wiederholt werden kann.

Wird eine Route verlassen, fordert die App zunächst zum Umkehren auf und berechnet die Route erst dann neu, wenn die Aufforderung nicht befolgt wird.

Für eine aktive Route kann eine Wegbeschreibung abgerufen werden, also eine Liste der Straßen und der jeweils zurückzulegenden Entfernung. So lässt sich eine Route virtuell erkunden, bevor der Nutzer sich auf die Straße begibt.

Leider ist der Bildschirm recht unübersichtlich. Um Informationsfelder und Schaltflächen zu erreichen, muss der Anwender sich durch POI und Straßen wischen, die dynamisch eingeblendet werden und den Bildschirm füllen. Außerdem wird die Taste "Beenden" in der getesteten Version nicht immer von VoiceOver angesagt.

Ist das der Fall, muss die App im App-Umschalter geschlossen werden, um die Navigation auf einer aktiven Route abzubrechen.

Karten ist kostenlos und erfordert eine Internetverbindung.

Google Maps (iOS)

Google Maps ermöglicht ein unkompliziertes Suchen nach POI und Adressen, so dass Start- und Endpunkt einer Route schnell festgelegt sind. Diese lassen sich bei Bedarf vertauschen. Leider wird der Verlauf, also eine Liste bisher genutzter Routen, nur dann gespeichert, wenn der Anwender über ein Google-Konto verfügt und sich damit in Google Maps anmeldet. In diesem Fall können zuvor genutzte Routen bequem aufgerufen werden. Im Startbildschirm werden Nah- und Fernverkehrshaltestellen in der Umgebung angezeigt, die als Routenziel ausgewählt werden können.

Die App-eigene Sprachausgabe ist gegenüber VoiceOver leiser und bei normaler Lautstärke schwer zu verstehen. Sie gibt an, in welcher Himmelsrichtung eine Route begonnen werden soll. Auf welcher Straße die Route begonnen werden soll, wird nicht immer angesagt. Wovon die Nennung der Ausgangsstraße abhängt, war nicht zu ermitteln. Soll die Richtung geändert werden, fordert die App zum Abbiegen auf. Straßenüberquerungen und zurückzulegende Entfernungen werden nicht angesagt.

Die zur aktiven Route gehörenden Straßen und die jeweils zurückzulegenden Entfernungen sind in einer Schritt-für-Schritt-Liste einsehbar, die umständlich aufzurufen ist und schleppend reagiert. Allerdings ermöglicht diese Übersicht das Erkunden einer Route vor ihrem Antritt.

Google Maps weist nicht verbal auf das Verlassen einer Route hin, sondern berechnet lediglich nach längerer Zeit eine neue Route. Diese wird zwar in der oben genannten Routenübersicht angezeigt, es erfolgt aber kein verbaler Hinweis darauf, dass die ursprünglich berechnete Route verlassen und eine neue Route berechnet wurde.

Google Maps ist kostenlos und erfordert zunächst eine Internetverbindung. Die App bietet jedoch an, einen Kartenausschnitt offline zu speichern, so dass eine Route auch ohne Internetverbindung abgerufen werden kann.

Navigon Europe (iOS)

Navigon Europe ist weitgehend barrierefrei. Die herausragende Eigenschaft ist eine komfortable POI-Suche, womit etwa der Standort eines bestimmten Geschäftes oder des nächsten Geldautomaten leicht ermittelt werden kann.

Leider sind die Routenanweisungen für blinde Nutzer zu ungenau und können zu großen Umwegen führen. So gibt die App nicht an, auf welcher Straße und in welcher Richtung eine Route begonnen werden soll. Auch warnt die App nicht, wenn eine Route verlassen oder in falscher Richtung begonnen wird. Schlimmstenfalls wird eine neue Route berechnet, ohne dass ein Hinweis erfolgt.

GuideDroid (Android)

GuideDroid ist eine Eingabemaske, die blinden Nutzern die Verwendung von Google Maps erleichtern soll. Das Kartenmaterial und die Routenanweisungen werden von Google Maps übernommen. Die App ist englischsprachig.

Obwohl die App für blinde Nutzer entwickelt wurde, ist sie nicht für die Bedienung mit TalkBack optimiert. So gibt es Leerzeilen zwischen den Steuerelementen, die durch Vorwärts- und Rückwärts-Wischen angesteuert werden. Trotzdem ist der Bildschirm übersichtlicher als in Google Maps selbst. Er besteht neben dem Eingabefeld für die Zieladresse und der benachbarten Suchen-Schaltfläche „Go“ aus den Optionsschaltflächen „Recent Places“, „Go To Favourites“ und „Add Favourite“.

Leider erhält der Nutzer keine Meldung darüber, ob eine Adresse gefunden wurde oder nicht. Wird die eingegebene Adresse gefunden, schaltet die App sofort in den Navigationsmodus. Die App muss dann mit der Zurück-Geste geschlossen werden, worauf Google Maps in den Vordergrund tritt. Ist die Adresse nicht eindeutig oder wird ein mehrfach vorhandener POI gesucht, muss nun in Google Maps eine Auswahl getroffen werden.

Here (iOS)

Die Navigations-App von Nokia ist wegen vieler Barrieren von Blinden alleine kaum bedienbar. So sind einige Schaltflächen in Englisch beschriftet, der Status von Optionsschaltflächen ist für VoiceOver-Nutzer nicht erkennbar und der Fußgängermodus daher nicht wählbar.

Here erfordert keine Echtzeit-Internetverbindung, da das Kartenmaterial auf dem Gerät gespeichert wird.

Here / Ovi Maps (Windows Phone, Symbian)

Nokia-Smartphones unter Windows Phone verfügen noch nicht über einen deutschen Screenreader. Daher wird hier nicht auf die Nutzung der hauseigenen Navigations-App Here mit Nokia-Smartphones eingegangen. Allerdings kann die Vorgängerversion Ovi Maps nach wie vor auf Symbian-Handys genutzt werden, auf denen der Screenreader TALKS installiert ist. Wer ein Symbian-Handy besitzt, hat mit Ovi Maps eine Navigationshilfe, die Apple-Karten und Google Maps keineswegs nachsteht.