Be My Eyes und See4Me: zwei Community-basierte Augen-Ausleih-Apps in Entwicklung

3. Juni 2014

Mit Be My Eyes und See4Me sind zur Zeit zwei Apps in Entwicklung, die es blinden Menschen ermöglichen sollen, sich kurz mal Augen aus einer Community von Helfern „auszuleihen“.

Der Ansatz: Auskunftssuchende nehmen ein Objekt (ein Produkt oder ein Schild) mit ihrer Smartphone-Kamera auf und wenden sich über die App an die Community. Ein Helfer antwortet und erklärt das Objekt.

Der Vorläufer KlickBlick

Diese Idee realisierte in Deutschland Joachim Frank (früher FRANK AUDIODATA) schon lange vor dem Auftauchen von Smartphones in seiner PC-Anwendung KlickBlick / See4Me. Sie erfasst Desktop-Inhalte oder über Webcam bzw. Scanner Gegenstände bzw. Vorlagen und stellt per Internet eine Verbindung zwischen blinden Nutzern und sehenden Helfern her. Diese können dann über IP-Telefonie die Gegenstände beschreiben oder vorlesen.

Zu Zeiten der Entwicklung von KlickBlick war man auf stationäre Internet-Verbindungen und klobige PCs beschränkt und nur wenige blinde Nutzer hatten Erfahrung mit dieser Technik. Darum konnte sich KlickBlick nicht breit durchsetzen. Mit der Verfügbarkeit schnellerer LTE-Datenverbindungen auf Smartphones ändert sich das heute.

Mit Apps geht "Augen leihen" auch unterwegs

Be My Eyes- und See4Me beruhen auf den gleichen Prinzipien. PCs, Scanner oder Webcams werden aber hier durch Smartphones und deren Kameras ersetzt, was die "Leih-Augen" leicht, transportabel und überall einsetzbar macht.

Auch die von blinden Menschen gern genutzte iPhone-App TapTapSee verfolgt grundsätzlich einen ähnlichen Ansatz. Hier werden Fotos mit einer Bilddatenbank verglichen, aber auch menschliche Hilfe spielt wohl eine Rolle, wenn schwerer zu identifizierende Gegenstände aufgenommen werden.

Eine Community von freiwilligen Helfern

Beide App-Entwicklungen - Be My Eyes und See4Me - beruhen auf der Bildung einer Community freiwilliger Helfer, um den Dienst günstig anbieten zu können. Server müssten natürlich (z.B. über Spenden oder ein Abonnement) bezahlt werden. Ein Peer-to-Peer-Netzwerk erlaubt sowohl den Zugriff auf den Helfer-Pool als auch auf bestimmte, dem Nutzer bereits bekannte Helfer aus einer Buddy-Liste.

Einsatzmöglichkeiten

Der typische Ablauf beginnt damit, dass ein blinder oder sehbehinderter Mensch über die App eine Hilfsanfrage stellt. Anwendungsfälle reichen von einer Frage nach dem Inhalt von Hinweisschildern oder anderen Informationsquellen über das aufgedruckte Verfallsdatum von Nahrungsmitteln bis hin zum gefahrlosen Überqueren einer Straße.

Eine wichtige „Outdoor-Anwendung“ ist auch die Tür-zu-Tür-Navigation. Hier kann eine solche App blinde Menschen auf jenen Wegstrecken unterstützen, die nicht bereits über den öffentlichen Nahverkehr und entsprechende Apps wie den DB Navigator abgedeckt sind. Weitere Anwendungen dieser "Leih-Augen" in Wohn- und Arbeitsräumen sind zahlreich und vielfältig und fallen sicher jedem sofort ein.

Echtzeit-Kommunikation

Interessant beim Ansatz dieser Apps ist, dass im Gegensatz etwa zu TapTapSee eine Echtzeitkommunikation stattfindet. Helfer können also über den Tonkanal dem blinden Nutzer Anweisungen geben, etwa "geh etwas näher ran", "etwas mehr nach links" oder "dreh das Ding mal um". Diese Rückmeldungen verändern dann mittelbar das Videobild und verbessern so die Qualität und Genauigkeit der Hilfeleistung. Helfer brauchen dabei keine Sorge zu haben, überfordert zu werden: sie können ihren Status über den Snooze-Modus jederzeit auf "nicht verfügbar" stellen. Sprachsettings werden dafür sorgen, dass nur Helfer angefragt werden, die in den vom Nutzer eingestellten Sprachen antworten.

Kontakt und Launch-Zeitpunkt

Be My Eyes wird in Dänemark von Hans Jørgen Wiberg konzipiert und wird mit Hilfe von dänischen App-Entwicklern umgesetzt. Zuerst ist der Launch der iOS-App geplant, eine Android-App soll später folgen. Zukünftig soll auch ein internationaler Launch der App stattfinden.

Die See4Me-Entwicklung wird von dem Verein KlickBlick Plus e.V. und dessen Vorsitzenden Joachim Frank betrieben.  Ein gemeinsamer Launch der App sowohl für iOS als auch für Android ist für Ende 2014 geplant.