Betriebssysteme

Betriebssysteme nennt man die Programme, die auf Computern (einschließlich Tablets, Smartphones oder Handys) die grundlegenden Funktionen bereitstellen. Bei vielen gibt es Einstellungsmöglichkeiten, welche die Nutzbarkeit für Menschen mit Sehbehinderungen verbessern.

Stand: Aktualisiert am 20. November 2015.

Was ist das?

Die Betriebssysteme stellen Funktionen und grafische Oberflächen bereit, die von den installierten Anwendungen (etwa Textverarbeitung, Datenbanken, Internet-Browser, usw.) genutzt werden. Wie Dateiverzeichnisse, Menüs, Fenster, Dialoge, Auswahllisten und andere typische Bedienelemente aussehen und funktionieren, ist je nach Betriebssystem unterschiedlich.

Gängige Desktop-Betriebssysteme sind Microsofts Windows 7 bzw. Windows 10, Apples Mac OSX, oder, mit sehr kleinem Marktanteil, verschiedene Linux-Distributionen, z.B. Googles Linux-Variante Chrome OS.

Gängige mobile Betriebssysteme sind Android, Apple iOS, Windows 8 und Windows Phone 8 und BlackBerry OS 10. Weitere mobile Betriebssysteme sind Tizen (eine Entwicklung der Linux Foundation, unterstützt unter anderem von Intel und Samsung und bei Samsung Smartwatches eingesetzt), Firefox OS (Mozilla) und Sailfish (ein Nachfolger des MeeGo-Betriebssystems).

Ältere mobile Betriebssysteme wie Symbian, Bada oder Windows Mobile werden nicht mehr weiterentwickelt bzw. auf Neugeräten ausgeliefert.

Betriebssysteme unterscheiden sich in ihrer Unterstützung der grundsätzlichen Zugänglichkeit und Anpassbarkeit für blinde und sehbehinderte Menschen. Auf vielen Betriebssystemen lassen sich eine Reihe von Anpassungen vornehmen.

Was ist zu beachten?

Viele Betriebssysteme erlauben eine Reihe von Einstellungen, um die Ausgabe an spezielle Bedürfnisse anzupassen – etwa vergrößerter Text, Kontrast-Einstellungen oder die Sprachausgabe (Screenreader).

Welche Dinge lassen sich für blinde und sehbehinderte Menschen auf Betriebssystem-Ebene einstellen?

  • Integrierte Screenreader. Manche Betriebssysteme verfügen über integrierte Sprachausgabe (also systemseitig vorinstallierte Screenreader, welche die Funktionen des Betriebssystems tastaturnutzbar - bzw. bei iOS über Gesten nutzbar - machen und als Sprache ausgeben. Am bekanntesten und ausgereiftesten ist Apples VoiceOver.
    Bei Android heißt der systemseitige Screenreader TalkBack, bei Windows 8 und 10 Sprachausgabe bzw. Narrator. Narrator gibt es auch auf Windows Phone ab System 8.1, allerdings erst in einer englischsprachigen Version.
  • Systemseitige Zoomvergrößerung. Einige Betriebssysteme haben eingebaute Funktionen zur Anzeige von vergrößerten Bildausschnitten oder zum Hineinzoomen in den Bildschirm. Bei iOS heißt die Funktion Zoom und vergrößert bis 15-fach, bei Android heißt sie Vergrößerungsbewegungen (5-fach) und bei Windows Bildschirmlupe.
    Die Windows-Bildschirmlupe existiert in drei Varianten:
    • Auf dem traditionellen Windows-Desktop zeigt sie einen vergrößerten Ausschnitt des Bildschirms wahlweise im Vollbild, in einem wandernden Fenster (Lupe) oder in einem angedockten Bereich. Die Vergrößerung ist zentriert auf die augenblickliche Position des Mauszeigers. Vergrößerungen bis 16-fach sind möglich. Die Schrift und grafische Elemente werden beim Hineinzoomen allerdings zunehmend verschwommen. Nützlich ist bei Windows 10 ein Überblicksmodus, der bei Nutzung des Vollbild-Modus kurz durch Herauszoomen für einige Sekunden den Ort des vergrößertern Ausschnitts in der Gesamtsansicht anzeigt und dann in die vergrößerte Ansicht zurückkehrt.
    • Auf der Touch-Oberfläche von Windows 8 (Modern Interface) findet sich eine Umsetzung mit Randbalken zum indirekten Verschieben des Ausschnittes und Bedienelemente in den Ecken zum stufenweisen Hinein- und Hinauszoomen. Die Funktionen auf den beiden Windows-PC-Oberflächen Desktop und Modern sind bei Windows 8 schlecht integriert, die indirekte Bedienung auf dem Modern Interface ist sehr umständlich.
    • Eine dritte Form der Bildschirmlupe gibt es bei Windows Phone 8. Sie funktioniert über direkte Manipulation (also Touch-Gesten auf den Inhalten) und ist am Ansatz von iOS orientiert, allerdings deutlich schwerfälliger. Sie bietet eine bis zu 5-fache Vergrößerung.
  • Systemseitige Schriftvergrößerung. Die meisten Betriebssysteme bieten die systemseitige Schriftvergrößerung. Windows 7 bietet die Schriftvergrößerungsstufen 125 % und 150 % oder eine benutzerdefinierte Größe bis 200 % (bei Windows 8 bis 500 %). Bei größeren Stufen werden aber zum Teil Inhalte abgeschnitten.
    In mobilen Betriebssystemen lassen sich ebenfalls Schriftgrößen systemseitig einstellen. In vielen Fällen nutzen Apps aber nicht diese Einstellungen bzw. vergrößern nur einige Elemente. Gerade Bedienelemente in Apps bleiben oft unvergrößert. Hier muss dann die Zoomvergrößerung helfen.
  • Kontrasteinstellungen. Bei Windows 7 und 8 und 10 gibt es einen Kontrastmodus, in dem sich verschiedene vorgegebene Profile auswählen lassen, etwa Schwarz-Weiß- oder auch helle Schrift auf dunklem Grund. iOS bietet eine Darstellung mit Farbumkehr, die allerdings den Kontrast nicht erhöht. Auch einige Android-Skins, wie etwa TouchWiz von Samsung, bieten diese Option.
    Windows Phone 8 hat eine Einstellung "Hoher Kontrast", die eine Weiß-auf-Schwarz-Ansicht der Oberfläche bietet, aber nicht von allen Apps unterstützt wird. So sind Inhalte im mobilen Browser Internet Explorer kontrastreich invertiert, auf das Notiz-Programm OneNote hat die Einstellung dagegen keine Auswirkungen.
  • Bildschirminhalt-Sprechen-Funktion. iOS verfügt seit Systemversion iOS 8 über eine vom Screenreader VoiceOver unabhängige "Bildschirminhalt-Sprechen"-Funktion. Ist sie in den Systemeinstellungen (unter Bedienungshilfen > Sprachausgabe) aktiviert, führt ein Strreichen mit zwei Fingern vom oberen Bildschirmrand dazu, dass die Textinhalte der aktuellen Ansicht vorgelesen werden. Das Vorlesen lässt sich auch pausieren, die Geschwindigkeit lässt sich variabel einstellen. Weitere Optionen sind "Auswahl sprechen" und "Auto-Text sprechen" (Auto-Text sind die Textvorschläge bei Eingabe).
  • Cursor- bzw. Zeigervergrößerung und Farbänderung. Bei Windows 7 lässt sich die Darstellung des Cursors und des Auswahlrechtecks unter "Bedienung mit der Maus erleichtern" verbessern, jedoch nicht so flexibel wie bei Vergrößerungssoftware.

Wo befinden sich die Einstellungen für Anpassungen auf der Ebene des Betriebssystems?

  • Windows 7: Systemsteuerung > Center für erleichterte Bedienung
  • Windows 8 (Modern Interface): Charms-Menü rechts, Einstellungen > PC-Einstellungen ändern > PC-Einstellungen > Erleichterte Bedienung
  • Windows 10: Auswahl Startbotton, anschließend auf Einstellungen > Erleichterte Bedienung
  • Apple iOS: Einstellungen > Allgemein > Bedienungshilfen
  • Android: Einstellung > Bedienungshilfen
  • Windows Phone 8: App-Liste > Einstellungen > Erleichterte Bedienung

Der Abschnitt Marktübersicht führt die wichtigsten Einstellungen und Gesten der Anpassungen für sehbehinderte und blinde Nutzer für die gebräuchlichsten Betriebssysteme auf.

Marktübersicht

Die Zugänglichkeit von Computern und mobilen Geräten hängt stark von systemseitig eingebauten Zugänglichkeitsfunktionen der verwendeten Betriebssysteme ab.

Desktop-Betriebssysteme

In der noch immer vom Desktop-PC bzw. von PC-Laptops dominierten Arbeitswelt bietet Windows mit seinen Zugänglichkeitsschnittstellen (früher MSAA, jetzt UI Automation) gut zugänglichen Office-Anwendungen wie MS Word und Excel sowie einer Reihe von - oft nicht billigen - PC-basierten Hilfsmitteln (Screenreader, Vergrößerungssoftware) eine gute Arbeitsumgebung.

Apples Desktop-Computer werden in der Arbeitswelt - abgesehen von den Bereichen Design, Werbung, Medien - seltener eingesetzt. Die OSX-Zugänglichkeitsschnittstelle heißt NSAccessibility. Der mitgelieferte Screenreader VoiceOver unter OSX bietet hier eine gute systemseitige Zugänglichkeit, die aber ihre Grenzen hat. So sind etwa PDF-Dokumente bei Nutzung von VoiceOver schlecht zugänglich. Für sehbehinderte Nutzer gibt es seit kurzem mit Zoomtext Mac auch eine Vergrößerungssoftware, die bislang nur für den PC verfügbar war.

Linux wird hauptsächlich als Serverlösung und weniger an gewöhnlichen Arbeitsplatzrechnern eingesetzt. Abhängig von der gewählten Linux-Distribution gibt es eine Vielzahl kostenloser Programme. Einen ersten Überblick bietet etwa der Artikel Zugänglichkeit von Linux für Blinde oder ein englischer Artikel von Robert Cole auf DistroWatch.

Mobile Betriebssysteme: Apple / iOS

Führend in Sachen mobiler Zugänglichkeit ist immer noch Apples Betriebssystem iOS, das sowohl auf iPhones als auch iPads eingesetzt wird.

Wichtige Einstellungen und Gesten für sehbehinderte Nutzer

  • Zoom-Vergrößerung an / aus: Doppel-Tippen mit drei Fingern
  • Ausschnitt verändern: mit zwei Fingern ziehen
  • Zoom-Stufe ändern: Doppel-Tippen mit drei Fingern, dann hochziehen / runterziehen
  • Großer Text, z.B. für E-Mail, Kalender, Kontakte, Notizen: Einstellungen > Allgemein > Bedienungshilfen > Großer Text, hier gibt es verschiedene Textvergrößerungsstufen (20pt bis 56pt)
  • Farben umkehren: Einstellungen > Allgemein > Bedienungshilfen > Farben umkehren

Wichtige Einstellungen und Gesten für blinde Nutzer

  • An- bzw. Ausschalten der Sprachausgabe VoiceOver: Doppel-Tippen mit drei Fingern
  • Erkunden: Icons / Bedienelemente unter dem Finger werden vorgelesen, Aktivieren dann mit Doppel-Tippen irgendwo auf dem Bildschirm
  • Blättern durch horizontale Wischgesten: nach links bzw. rechts wischen durchwandert die Elemente des Bildschirms vorwärts und rückwärts und liest sie vor, Aktivieren dann mit Doppel-Tippen irgendwo auf dem Bildschirm
  • An den Anfang des aktuellen Screens springen: Mit vier Fingern einmal tippen

Mobile Betriebssysteme: Android (ab 4.1 Jelly Bean)

Android kommt auf einer großen Anzahl von Smartphones und Tablets zum Einsatz - oft mit einer Skin der Hersteller, die die Oberfläche des unbelassenen Android-Systems ("Vanilla Android") verändert. Die Zugänglichkeit hat sich seit der Android-Version 4.1 (Jelly Bean) deutlich verbessert.

Wichtige Einstellungen und Gesten für sehbehinderte Nutzer

  • Zoom-Vergrößerung: Funktion aktivieren unter Einstellungen > Vergrößerungsbewegungen
  • Hinein- bzw. Hinauszoomen: Dreifach-Tippen mit einem Finger
  • Ausschnitt verändern: mit zwei Fingern ziehen
  • Zoom-Stufe ändern: Mindestens zwei Finger zusammen- oder auseinander ziehen
  • Großer Text: Android bietet verschiedene Schriftgrößeneinstellungen unter Einstellungen > Display > Schriftgröße: Klein, Normal, Groß und Sehr groß.  Außerdem gibt es unter Einstellungen > Bedienungshilfen die Option "Großer Text", Systemtexte und Texte in Anwendungen werden gleichermaßen um ca. 150 % vergrößert.

Wichtige Einstellungen und Gesten für blinde Nutzer

  • Anschalten der Sprachausgabe Talkback (ab Android 4.2): Ausschaltknopf drücken und nach dem Ton, der das Ausschaltmenü begleitet, zwei Finger auf den Bildschirm legen und dort bis nach der akustischen Rückmeldung liegen lassen. Dies schaltet Talkback an. Ausschalten geht dann leider nur über die Einstellungen.
  • Erkunden: Wie bei iOS (siehe oben)
  • Blättern durch horizontale Wischgesten: Wie bei iOS (siehe oben)

Mobile Betriebssysteme: Windows Phone 8

Auch Windows Phone 8 bietet eine Reihe von Einstellungen für sehbehinderte Nutzer. Windows 8.1 (die US-Version) hat den Screenreader Narrator. Zur Zeit wird noch kein deutschsprachiger Screenreader angeboten. Windows Phone 8 Smartphones sind zur Zeit deshalb für blinde Nutzer (wenigstens solche, die ihr Gerät nicht komplett auf Englisch umstellen wollen) kaum geeignet.

Es ist noch nicht bekannt, wann der Screenreader Narrator dann auch für die deutsche Version von Windows Phone 8.1 Smartphones zur Verfügung stehen wird.

Wichtige Einstellungen und Gesten für sehbehinderte Nutzer

  • Bildschirmlupe aktivieren unter Einstellungen > Erleichterte Bedienung
  • Hinein- und Hinauszoomen: Doppel-Tippen mit zwei Fingern
  • Ausschnitt verändern: Ziehen mit zwei Fingern
  • Großer Text: Unter Einstellungen > Erleichterte Bedienung bietet Windows Phone 8 eine stufenlose Schriftvergrößerung, die sich auf Texte in Apps auswirkt, nicht jedoch auf die Kacheln des Home Screens.
  • Kontrastmodus: Unter Einstellungen > Erleichterte Bedienung kann ein Kontrastmodus aktiviert werden, der Bildschirminhalte weiß auf schwarz anzeigt.
  • Es gibt eine Spracherkennung für Funktionsaufrufe.

Externe Links

Tests

Tablet tests with low vision users: Zoom magnification

In our tablet tests, all low vision users relied on the zoom function to carry out tasks. We compare the implementation of zoom on the iPad, the Surface pro, and Android-Tablets.