Smartphones

Smartphones ersetzen immer mehr das traditionelle Handy: Mehr als drei Viertel aller neu gekauften Mobilgeräte in Deutschland sind Smartphones. Diese sind inzwischen portable Kleincomputer, mit denen man auch telefonieren kann. Eingebaute Screenreader und Vergrößerungsoptionen und spezielle Apps, etwa Texterkennung oder Navigationssysteme, machen Smartphones gerade für blinde und sehbehinderte Nutzer interessant.

Stand: Aktualisiert am 31. Oktober 2014

Was ist das?

Ein Smartphone zeichnet sich durch einen Bildschirm mit Touchscreen aus. Die meisten Modelle verzichten auf eine physische Tastatur und verlassen sich auf die Touch-Bedienung - es gibt aber auch Ausnahmen, etwa die BlackBerry-Smartphones Q10, Q5 und Passport, oder das Motorola Milestone (Motorola DROID) Smartphone, dass aber mit einer veralteten und nicht aktualisierbaren Version von Android kommt (2.1).

Mit einem Smartphone kann man viel mehr als nur telefonieren und SMS schreiben - mitgelieferte oder später heruntergeladene Programme - die Apps - bieten eine Reihe von Funktionen, für die früher spezielle Geräte notwendig waren. Dazu zählen in der Regel Adressbuch und Terminplaner, eine Foto- bzw. Videokamera, E-Mail, Social Media Apps wie Facebook, Twitter, LinkedIn, Web-Browser für den Internet-Zugang, E-Book-Reader Apps und Video-Player.

Eine Reihe von speziellen Apps sind für blinde und sehbehinderte Menschen besonders nützlich, z.B. Navigationssysteme für die Fußgängernavigation und Apps für die Texterkennung.

Wie nutzen Blinde das Smartphone?

Sowohl das iPhone als auch Android-Smartphones (ab Android 4.1) erlauben das Erkunden des Bildschirms durch Hinüberfahren mit dem Finger ("Explore by Touch") und alternativ das Durchwandern aller interaktiven Elemente mittels einer horizontalen Wischgeste. Vorgelesene Elemente werden dann durch ein Doppel-Tippen irgendwo auf den Bildschirm ausgelöst.

Bei weiteren Gesten gibt es systemspezifische Unterschiede. Siehe hierzu Apples Überblick der VoiceOver-Gesten und Googles Überblick über TalkBack-Gesten (englisch).

Außerdem gibt es die Möglichkeit der Eingabe per Sprachsteuerung (Siri bei Apple, "Spracheingabe" bei Android), die natürlich im beruflichen Umfeld und auch beim Einsatz unterwegs nur bedingt brauchbar ist. Andere Herstellern, die Android nutzen, lassen auch Zusatz-Apps einsetzen, zum Beispiel Samsungs S-Voice oder eine Reihe von teils kostenlosen Apps von Drittanbietern.

Was ist zu beachten?

Bei der Auswahl eines Smartphones gibt es für blinde bzw. sehbehinderte Nutzer wichtige Merkmale, die mit der Art der jeweiligen Sehbehinderung zusammenhängen, aber ebenso auch mit individuellen Bedürfnissen und Vorlieben. So ist für sehbehinderte Menschen oft ein großes Display vorteilhaft - Phablets sind für diese Gruppe deshalb interessant. Für blinde Nutzer sind dagegen eher die Qualität der systemseitig angebotenen Screenreader und die durchgängige Nutzbarkeit ohne fremde Hilfe ausschlaggebend.

Welches Smartphone ist am geeignetsten?

Pauschal lässt sich sagen, dass für blinde Nutzer zur Zeit das iPhone mit dem Betriebssystem iOS noch deutliche Vorteile gegenüber Android-basierten Geräten hat. Auch die Einstellbarkeit der Schrift und der Kontraste ist bei Apple bislang ausgereifter. Andererseits gibt es bestimmte Merkmale wie den dynamischen Umbruch von Texten auf Webseiten bei Nutzung der systemunabhängigen Textskalierung im Chrome-Browser, die für manche Nutzer ausschlaggebend für die Bevorzugung von Android-Geräten sein können.

iOS und Android decken zur Zeit einen großen Teil des Smartphone-Marktes ab. Windows Phone 8.1 hat (bislang noch) keinen deutschsprachigen systemseitigen Screenreader. Blackberrys Screenreader in der Betriebssystemversion BB OS 10.2 ist eine noch nicht ausgereifte Beta-Version.

Sehbehinderte Nutzer, die keinen Screenreader brauchen, sollten vor dem Kauf eines Smartphones die angebotenen Optionen zur Textvergrößerung und Anpassung des Displays (Helligkeit, Kontraste, Farbumkehr) prüfen und mit ihren individuellen Bedürfnissen abgleichen.

Siehe auch unseren Leitfaden Welche Smartphones sind geeignet?

Vorreiter Apple

Für blinde Nutzer bietet Apples iPhone mit dem Betriebssystem iOS und dem Screenreader VoiceOver zur Zeit die beste Zugänglichkeit. Das System ist ausgereift und gut bedienbar. Alle Systemfunktionen und viele der Apps auf iTunes sind gut zugänglich. Die Hilfe Sehender ist weniger oft erforderlich als beim Konkurrenten Android. Es gibt außerdem eine große Conmmunity blinder iPhone-Nutzer, die bei anfänglichen Problemen helfen können.

Android

Android mit seinem Screenreader TalkBack hinkt in Sachen Zugänglichkeit noch etwas hinterher. Hier sind blinde Menschen bei der Installation, Einrichtung und Nutzung von Apps häufiger als beim iPhone auf die Hilfe Sehender angewiesen. Viele Android-Apps sind zudem weniger zugänglich als ihr iOS-Äquivalent.

Die Zugänglichkeit ist seit der Android-Version 4.1 (Jelly Bean) deutlich verbessert. Android-basierte Smartphones sollten also möglichst bereits die Systemversion 4.1, besser 4.2 oder neuer installiert haben. Wichtig sind auch Angaben der Hersteller zur Häufigkeit zukünftiger Android-Updates, von denen weitere zukünftige Verbesserungen der Zugänglichkeit abhängen.

Welches Android-Smartphone?

Ein anderer wichtiger Punkt ist die Rolle der Skins (die unterschiedlichen visuellen Benutzerschnittstellen der Hersteller) auf Android-Smartphones. Die verschiedenen Skins weichen von der nativen Form von Android ('Vanilla Android') ab, wie sie etwa auf Googles Nexus 4, 5 und 6 und auf den Motorola Smartphones Moto X, Moto G und Moto E eingesetzt wird.

Durch die Skins der Hersteller kommt es oft Problemen für blinde Nutzer. Einige Hersteller haben begonnen, ihre Geräte auch mit Vanilla Android anzubieten, so etwa auf dem HTC One Google Experience und dem Samsung Galaxy S4 Google Edition (beide im Google Play Store bestellbar).

Ambitionierte IT-Bastler haben auch die Möglichkeit, ihr Smartphone zu 'rooten' (also Root-Zugang zum System zu erlangen), um dann Vanilla Android selbst zu installieren. Aber Vorsicht: Rooten führt zum Garantieverlust und kann bei fehlerhaften Root-Abläufen das Gerät unbrauchbar machen.

Die Website Mobile Accessibility der Global Accessibility Reporting Initiative (GARI) bietet eine Webanwendung zur Auswahl geeigneter Smartphones gemäß der von den teilnehmenden Herstellern übermittelten Merkmale. Allerdings: Wie gut diese Merkmale umgesetzt sind und wie gut die Einstellung und Handhabung der aufgelisteten Geräte in der Praxis ist, geht aus diesem Angebot nicht hervor. Auch fehlen detailleirte Angaben zur Qualität des eingebauten Screenreaders.

Marktübersicht

Smartphones lassen sich nach vielen Kriterien bewerten: Bildschirmgröße, Vorhandensein physischer Tasten, Vorhandensein einer physischen Tastatur, Qualität der Kamera, externe oder eingebaute Batterie, usw. Wenn es um die Brauchbarkeit für blinde bzw. sehbehinderte Nutzer geht, ist das wohl wichtigste Kriterium das eingesetzte Betriebssystem und die Qualität der systemseitig angebotenen Anpassungsoptionen (Screenreader, Vergrößerung, Farbumkehr, Spracheingabe).

  • Apple iOS: Bei Smartphones mit dem Betriebssystem iOS ist der Screenreader VoiceOver systemseitig fest dabei. Das System ist sehr ausgereift. Außerdem bietet Apples iOS umfangreiche Einstellungsmöglichkeiten für Textgröße, eine Zoomfunktion, Farbumkehr und die Spracheingabe über Siri.
  • Android: Smartphones mit dem Betriebssystem Android gibt es im Gegensatz zu Apples iPhone von vielen verschiedenen Herstellern. Diese nutzen Android meist nicht in seiner Reinform ('Vanilla Android') sondern modifizieren die Benutzeroberfläche mit sogenannten 'Skins'. Wie gut diese Skins mit den Android-Eingabehilfen und dem eingebauten Screenreader TalkBack harmonieren, muss im Einzelfall ermittelt werden. Blinde Nutzer wählen deshalb oft Google-Smartphones (Nexus 4, 5, 6), auf denen das "Vanilla Android" installiert ist und die häufiger als die Geräte anderer Hersteller System-Updates erhalten. Auch Motorola nutzt das unveränderte Android.
  • Windows Phone 8: Smartphones unter Windows Phone 8 haben betriebssystemseitig Einstellungsmöglichkeiten für die Schriftgröße und eine Zoomfunktion. Windows 8.1 (US-Version) hat den Screenreader Narrator, der in der deutschen Systemversion nur auf Englisch läuft und eine Umstellung des gesamten Telefons auf die englische Sprache erfordert.
  • BlackBerry: Der Screenreader für die Systemversion BB10.2 ist eine Beta-Version, die aber noch etliche Fehler bei der Touchbedienung aufweist. Das Q10, Q5 und tastenlose Geräte wie das Z10 und das Z30 werden unterstützt. Für die Modelle BlackBerry Curve 9220, 9320, 9350, 9360 und 9370 (mit physischer Tastatur) gibt es eine kostenlose Screenreader-App.
  • Tizen: Ein Konsortium von Handset- und Chip-Herstellern (unter anderem Samsung und Intel) entwickelt zurzeit mit Tizen ein neues mobiles Betriebssystem. Laut Information zur Tizen Application UI wird es auch einen systemseitigen Screeenreader geben. In Deutschland erhältliche Geräte mit Tizen sind die Gear Smartwatches von Samsung (diese haben aber bislang keine Sprachausgabe).
  • Symbian: Für das Betriebssystem Symbian, dessen Entwicklung Nokia eingestellt hat, gibt es die Sprachsoftware Talks (auf Symbian OS Series 60 or 80) und Mobile Speak.
  • Windows Mobile: Für das nicht länger unterstützte Betriebssystem Windows Mobile gibt es die Sprachsoftware Mobile Speak.