FreevoxTouch, eine sprechende Uhr mit Zusatzfunktionen

17. November 2014

Einleitung

Eine Smartwatch ist so etwas wie die kleine Schwester des Smartphone. Eine 'Armbanduhr', die üblicherweise per Bluetooth mit dem Smartphone gekoppelt ist. So kann die Smartwatch eingehende Nachrichten ausgeben, die Musikwiedergabe des Smartphone steuern oder Navigationshinweise geben. Umgebungs- und Bewegungssensoren speisen Fitness-Apps.

Freevox touch am Handgelenk

Abb. 1: FreevoxTouch-Uhr am Handgelenk. Zu sehen ist der Normal Icons Mode mit vier Icons.

Auch für blinde und sehbehinderte Menschen ist die Smartwatch also von Interesse. Leider sind die Mainstream-Produkte bislang nicht zugänglich, da sie nicht mit Bedienungshilfen wie einer Sprachausgabe ausgestattet sind. Da lässt eine Uhr, die von einem Hilfsmittelhersteller wie Freedom Scientific als Smartwatch angepriesen wird, zunächst Hoffnung aufkeimen.

Wir haben die FreevoxTouch getestet, um festzustellen, ob sie den Ansprüchen an eine Smartwatch gerecht wird.

Verpackungsinhalt

Die Verpackung enthält neben der Uhr ein USB-Ladekabel und eine CD. Die CD enthält die Installationsdatei Freevox.exe, eine Readme-Datei und ein Handbuch. Das Handbuch ist eine 33-seitige PDF-Datei ohne Tags. Sie enthält weder Überschriften noch ein verlinktes Inhaltsverzeichnis. Bei dem Produkt eines Hilfsmittelherstellers für Blinde ist das ein Armutszeugnis.

Die Readme-Datei verweist kurz auf das Handbuch und gibt die Anweisung, die Uhr zwei Stunden aufzuladen, bevor damit gearbeitet wird. Sie empfiehlt, während der Wartezeit das Handbuch zu lesen.

Haptik und Verarbeitung

Die FreevoxTouch ist mit Abmessungen von 5,2 x 4 cm und einer Dicke von 1,1 cm ziemlich massig und hat ein entsprechend breites Kunststoffarmband. Die Vorderseite ist ein leicht gewölbter Touchscreen. Das Gehäuse besteht aus Leichtmetall und hat eine strukturierte, recht griffige Oberfläche. An den Seiten befinden sich der Ein-/Aus-Schalter, die micro-USB-Schnittstelle und der Eingang für einen Klinkenstecker.

Das Kunststoffarmband macht einen billigen Eindruck. Im umgebundenen Zustand sind die Scharniere und die schlecht verarbeiteten Ränder der Plastikbeschichtung zu fühlen.

Anwendung der FreevoxTouch

Ein Erkunden oder intuitives Bedienen der Uhr ohne Handbuch ist nicht möglich. Aufbau des Touch-Feldes, Gesten und Steuerung durch den Knopf müssen zunächst verstanden werden.

Die zur Bedienung nötigen Wischgesten werden im Handbuch erklärt und sind schnell verinnerlicht.

Die Uhr verfügt über zwei Bedienungsmodi. Im Normal Icons Mode ist der Touchscreen in vier Quadranten aufgeteilt, die jeweils ein Icon enthalten. Dieses kann mit Doppeltippen auf die entsprechende Ecke ausgeführt werden. Sind in einer App nicht alle vier Felder belegt, sagt die Uhr "Empty", wenn ein leeres Feld berührt wird.

Im Big Icons Mode füllt ein vergrößertes Icon den Touchscreen aus. Durch horizontales Wischen können die Icons durchlaufen und mit Doppeltipp ausgeführt werden. Der Wischzyklus scheint jedoch nicht logisch. Wird auf einem aktiven Icon links oder rechts gewischt, wird zunächst nochmal das aktive Icon angesagt statt das Nächste zu fokussieren. Auch wenn die Wischrichtung geändert wird, wird das aktuell fokussierte Icon noch einmal wiederholt.

Im Big Icons Mode sind die im Normal Icons Mode unbesetzten Felder eingereiht, wodurch beim Wischen immer wieder die Meldung "Empty" erfolgt. Kein Bug, aber ein Schönheitsfehler.

Der Big Icons Mode kann speziell für sehbehinderte NutzerInnen hilfreich sein. Diese können zudem zwischen den Darstellungsmodi Schwarz auf Weiß, Weiß auf Schwaz und Gelb auf Schwarz wählen.

Das Gerät reagiert im Vergleich zum iPhone oder einem PC recht schleppend.

Bei Einfachtipp auf das Touch-Feld wird im Home-Screen erst nach einer Sekunde Verzögerung die Uhrzeit angesagt. Die Sprachausgabe entspricht nicht dem heute möglichen Qualitätsstandard. Sie erinnert eher an Microsoft Sam als an Eloquence oder moderne Acapela-Stimmen. Auch bei Einstellung hoher Lautstärke ist sie nicht verständlich, wenn Nebengeräusche vorhanden sind. Die Ansagen werden scheinbar eingeblendet oder sind zumindest nicht von Anfang an gleich laut zu hören. Daher ist die erste Silbe oft unverständlich.

Die Apps

Außer der Zeit- und Datumsansage sowie der Weckfunktion verfügt die Uhr über eine Stoppuhr-Funktion, einen Timer, eine Audiowiedergabe-Funktion und einen Memo-Recorder.

In der Count-Down-App, also dem Timer, sind trotz Big Icon Mode mehrere Icons auf dem Touchscreen angeordnet, die sich nicht durchwischen lassen. Sie müssen direkt berührt werden, was nicht aus dem Handbuch hervorgeht.

Dies gilt auch für die Stop-Watch-App. Bei dem Versuch zu wischen, verstummt die Uhr und reagiert erst wieder nach einigen Sekunden.

Der Memo-Recorder konnte nicht getestet werden, da bei dem Versuch, eine Aufnahme zu starten, das Gerät wiederholt reaktionslos blieb und erneut gestartet werden musste. Gleiches gilt für das Anhören von Memos. Zumindest hätte beim Doppeltipp auf Listen Memo eine leere Liste angezeigt werden müssen. Auch hier blieb bis zu einem Neustart jedoch jegliche Reaktion aus.

In der Musik-App kann nach Künstlern, Album und Titeln sortiert werden. Die Wiedergabe funktioniert problemlos. Der eingebaute Lautsprecher erzeugt etwa den Klang eines vom Sitznachbarn getragenen Kopfhörers. Es empfiehlt sich daher, einen eigenen Kopfhörer anzuschließen, was zur Folge hat, dass Stecker und Kabel ständig am Handgelenk zu spüren sind.

Musiktransfer

Die Uhr kann als USB-Speicher genutzt werden. Sie bietet 4 GB Speicherkapazität. MP3-Dateien für die Musikwiedergabe müssen allerdings mittels der Freevox Software übertragen werden, da die Uhr einzig das Ogg-Format abspielen kann. MP3-Dateien werden also vom Export-Manager in Ogg-Dateien umgewandelt.

Meldungen der Freevox Software zum Status der Uhr oder die Frage, ob das Programm geschlossen werden soll, sind nicht zugänglich. JAWS erkennt nur die Schaltflächen für OK und Cancel.

Die Software wurde unter Windows 7 und JAWS 14 getestet.

Fazit

Bei der FreevoxTouch handelt es sich um eine sprechende Uhr mit Zusatzfunktionen, die per Touchscreen bedient wird. Wer eine Smartwatch erwartet, wird enttäuscht. Die Uhr bietet nichts, was gemeinhin mit dem Begriff "smart" verbunden wird. Der Touchscreen allein macht die Uhr nicht smart, sondern eher umständlich. Die 4 GB Speicherkapazität, die Beschränkung auf das Ogg-Format, die unvollendete Benutzeroberfläche und die minderwertige Sprachausgabe bei einem Preis von rund 180,00 € überzeugen nicht. Als sprechende Uhr ist die FreevoxTouch sicherlich einsetzbar, sie enthält aber nichts, was nicht anderweitig besser und nur wenig teurer zu haben ist.

Laut Freedom Scientific Benelux b.v. gibt es keine deutsche Sprachausgabe. Die Uhr soll nicht weiterentwickelt werden.