Vorlesesysteme

Vorlesesysteme werden genutzt, um gedruckten Text in Sprache umzuwandeln. Es gibt geschlossene Systeme, die Scanner und Sprachausgabe in enem Gerät vereinen, und offene Systeme, die aus mehreren Komponenten bestehen und an den PC angeschlossen werden. So wird auch eine Weiterverarbeitung des Textes möglich.

Was ist das?

Vorlesesysteme, häufig auch Lesesysteme oder Lesesprechgeräte genannt, werden von blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen genutzt, um sich gedruckte Texte vorlesen zu lassen. Die zu lesenden Dokumente werden eingescannt, von einer Texterkennungssoftware verarbeitet und anschließend von der Sprachausgabe wiedergegeben. Auf diese Weise können neben Büchern und Zeitschriften auch Bankauszüge, Rechnungen und andere Dokumente gelesen werden.

Lesesprechgeräte werden als offene oder geschlossene Systeme angeboten.Geschlossene Vorlesesysteme enthalten alle Komponenten vom Scanner bis zur Sprachausgabe. Sie werden hauptsächlich im Privatbereich eingesetzt und sind häufig auf die Bedürfnisse älterer Menschen abgestimmt.

An modernen Arbeitsplätzen üblich ist der Einsatz offener Lesesysteme, die auf einem Personalcomputer installiert werden. Gedruckte Texte können nicht nur vorgelesen und gespeichert werden, sie können auch weiter verarbeitet werden.

Was ist zu beachten?

Texterkennung

Vor allem dem Einsatz der immer höher entwickelten Texterkennungs-Software ist es zu verdanken, dass die Fehlerquote beim Einlesen in der letzten Zeit erheblich gesunken ist. Zwischen den einzelnen Systemen gibt es dabei Unterschiede in der Leistungsfähigkeit der Texterfassung. Eine 100-prozentige Erkennung kann kein System garantieren.

Einfacher Fließtext mit schwarzer Schrift auf weißem Grund wird in der Regel fehlerfrei gelesen. Schwache Kopien oder mehrfarbige Vorlagen kann die OCR-Software inzwischen recht gut ausgleichen. Auch eine Spaltenerkennung zum Einlesen von Tabellen gehört heute zum Standard. Schwierig sind aber immer noch Zeitschriftenlayouts mit eingestreuten Bildern, kleinen Tabellen und Infoboxen.

Scanner / Kamera

Standardmäßig werden Flachbettscanner für DIN A4-Format angeboten. Für Anwender, die regelmäßig die Tageszeitung lesen möchten, empfehlen sich Scanner, mit denen man Dokumente im DIN A3-Format einscannen kann. Leider sind geschlossene Systeme mit dieser Scannergröße zur Zeit nicht erhältlich.

Viele Vorlesesysteme haben Probleme, den Text im Falz dicker Bücher fehlerfrei zu erkennen. Abhilfe schaffen spezielle Scanner mit Buchanlegekante, die vereinzelt auch in geschlossenen Systemen zu finden sind.

Diskrete Daten - Zahlen, Kunstworte, Kombinationen aus Ziffern und Buchstaben - müssen immer kontrolliert werden. Da die OCR-Software wesentlich auf der Wahrscheinlichkeit von Wörtern basiert, stellen diskrete Daten eine prinzipielle Schwierigkeit dar. Das Erfassen von Handschrift ist noch nicht möglich, selbst exakt geschriebene Blockschrift wurde nicht erkannt. Vermehrt werden auch offene Vorlesesysteme mit einer Kamera anstatt einem Scanner

Sprachausgaben

Sprachausgaben lassen sich in "menschliche" und synthetische Sprachen unterteilen. Geschlossene Systeme arbeiten oft mit besonders gut verständlichen, "menschlich" klingenden Sprachausgaben. Der Nachteil ist, dass diese nur träge auf die Bedienung reagieren und dass die Sprechgeschwindigkeit nur begrenzt gesteigert werden kann. Geübte Anwender bevorzugen aus diesen Gründen die eher synthetisch klingenden Sprachausgaben.

Achten Sie darauf, ob das geschlossene Lesegerät mehrere Sprachen zur Auswahl hat oder später nachgerüstet werden kann. Bei offenen Systemen gibt es keine Einschränkungen, hier kann jede Sprachausgabe installiert werden.

Prüfen Sie in jedem Fall, ob eine Sprachausgabe Ihren Anforderungen hinsichtlich Verständlichkeit, Klangvariationsmöglichkeit und Reaktionsgeschwindigkeit entspricht. Hören Sie sich am besten längere Zeit in die Sprache ein, z.T. sind Demoversionen über das Internet zu hören.

Weitere Ausgabemöglichkeiten

Beherrscht der Anwender die Brailleschrift, empfiehlt sich der Einsatz einer Braillezeile zur Darstellung der Textinhalte. Einige geschlossene Systeme bieten die Möglichkeit, eine Braillezeile anzuschließen, ein Screenreader wird hierzu nicht benötigt.

Anders bei offenen Lesesystemen: hier muss ein Screenreader vorhanden sein, denn die Software des Lesesystems bietet in der Regel nur Sprach-, aber keine Brailleunterstützung.

Schnelligkeit des Systems

Die Ausgabegeschwindigkeit der Systeme, also die Zeit vom Scannen der Vorlage bis zur Ausgabe durch die Sprachausgabe, variiert erheblich. Für Nutzer, die häufig große Textmengen einlesen, empfiehlt es sich, die Geschwindigkeit des Systems vorab praktisch zu erproben. Außerdem sollten sie darauf achten, dass das Gerät das Scannen im Hintergrund, also das Einlesen einer neuen Seite während des Vorlesens, ermöglicht. Dies ist noch nicht bei allen Modellen der Fall.

Bei offenen Systemen sind der eingesetzte PC und der Scanner für die Geschwindigkeit verantwortlich.

Navigation

Während die Sprache den Text ausgibt, bestehen verschiedene Möglichkeiten, im Text zu navigieren, z.B. seiten-, satz-, wort- oder zeichenweise. Dies bietet einerseits die Möglichkeit, im Text zu springen und Inhalte zu überfliegen. Auf der anderen Seite können schwierige Texte, z.B. mit Fachbegriffen, Tabellen, Zahlen, besser erfasst werden, indem schwierige Teile Wort für Wort oder Zeichen für Zeichen vorgelesen werden. Die Navigation "Wort für Wort" ist besonders praktisch, wenn Tabellen wiedergegeben werden sollen, denn sie ermöglich die spaltenweise Ausgabe.

Finanzierung

Die Preisspanne von Lesesystemen ist groß, je nachdem, ob ein geschlossenes System, eine speziell für Blinde entwickelte Software in einem offenen System oder eine Standardsoftware eingesetzt wird.

Für den privaten Einsatz werden Vorlesesysteme laut Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen in offener oder geschlossener Form finanziert. Allerdings erstatten Krankenkassen nicht die Kosten für den PC, der eine Komponente des offenen Lesesystems darstellt. Der Grund: Krankenkassen dürfen keine Hilfsmittel "des täglichen Gebrauchs" finanzieren; in diese Kategorie fallen aber Computer und z.T. auch Scanner.

Für die Arbeitsplatzausstattung ist in der Regel die Agentur für Arbeit oder das Integrationsamt zuständig.

Marktübersicht

Geschlossene Systeme

Für Anwender, die für ihre Tätigkeit keinen Computer benötigen, reichen geschlossene Vorlesesysteme aus. Einige Geräte erlauben es, die eingescannten Texte abzuspeichern und zu verwalten.
Die Bestandteile
Geschlossene Systeme enthalten gängige Flachbettscanner, z.B. von Epson oder Canon, auf die einzelne Blätter gelegt werden können. Bei einigen Lesesprechgeräten ist der Scanner nicht integriert, sondern steht daneben. Dies erleichtert den Austausch, erfordert aber mehr Platz.

Zur Erkennung der eingescannten Zeichen wird eine sogenannte OCR-Software genutzt. Obwohl in Lesesystemen meist Standardprodukte integriert sind, ist die Genauigkeit der Texterkennung von Gerät zu Gerät durchaus unterschiedlich.
Geschlossene Systeme sind zumeist mit einer besonders gut verständlichen, "menschlichen" Sprachausgabe ausgestattet.

Bedienung

Für viele Nutzer von geschlossenen Systemen ist die leichte Bedienbarkeit des Gerätes ausschlaggebend. Üblicherweise ist eine Spezialtastatur mit wenigen Tasten integriert, die ähnlich wie ein Kassettenrecorder zu bedienen ist. Für Anwender mit feinmotorischen Problemen sind große Tasten in speziellen, taktil gut zu unterscheidenden Formen erhältlich. Diese vereinfachten Tastaturen reichen aber nicht aus, um komplexere Aufgaben auszuführen, z.B. ein Dokumentenarchiv zu verwalten. Üblicherweise begleitet eine Sprachausgabe den Nutzer durch alle Vorgänge und Arbeitsschritte.

Offene Systeme

An Arbeitsplätzen werden in der Regel offene Lesesysteme genutzt. Durch die Anbindung an den PC können die eingescannten Dokumente mit herkömmlichen Textverarbeitungsprogrammen abgespeichert und weiterverarbeitet werden. Die Steuerung erfolgt über die Computertastatur.

Die Komponenten

Offene Systeme bestehen aus den Komponenten PC, Scanner bzw. Kamera, Texterkennungs-Software und Sprachausgabe. Erwirbt man ein abgestimmtes System, so sorgt der Anbieter für die Kompatibilität der einzelnen Bestandteile. Die Komponenten können aber auch individuell zusammengestellt werden. Dann sollte man sich sachkundig machen, welche Bestandteile kombiniert werden können.

Texterkennungs-Software

Für die Erkennung der eingescannten Zeichen ist die OCR-Software verantwortlich.
Der Anwender kann zwischen einer handelsüblichen und einer speziell für Blinde entwickelten Software wählen:

  • Handelsübliche Software
    Wenn auf dem PC Screenreader und Sprachausgabe installiert sind, kann mit einer handelsüblichen OCR-Software, wie z. B. FineReader oder OmniPage, gearbeitet werden. Deren Benutzeroberfläche ist jedoch nicht auf die Bedürfnisse blinder Anwender eingerichtet. Das erschwert die Bedienung.
  • Speziell für blinde Anwender entwickelte Scanner-Software
    Diese Software beinhaltet neben der Texterkennung auch eine Sprachausgabe. Sie liest nicht nur den eingescannten Text vor, sondern informiert den Anwender auch während des Scanvorganges über die einzelnen Arbeitsschritte. Neben der komfortablen Benutzeroberfläche gibt es eine eigene Bibliotheksverwaltung, in der die Dokumente abgespeichert werden können, und oftmals auch eine eigene, einfache Textverarbeitung.

Tests

Scan2Voice – Portables Bildschirmlesegerät mit Vorlesefunktion

Scan2Voice ist ein portables Bildschirmlesegerät. Gescannte Texte werden vorgelesen und lassen sich in Textverarbeitungsprogrammen weiterverarbeiten. INCOBS hat getestet, ob sich Scan2Voice auch von blinden Nutzern ohne Hilfe installieren und nutzen lässt.

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